Wasserkraft als Zeugnis vergangener Zeit
Im Haus «Alte Säge» in Alt St. Johann produziert die Francisturbine aus dem Jahr 1910 seit vergangener Woche wieder Strom – dank grossen Engagements für den Erhalt historischer Werte und Substanz.
«Wir waren beeindruckt von den handgezeichneten, historischen Plänen des Wasserkraftwerks», erinnert sich Peter Eigenmann an den Moment, als er mit seiner Partnerin Bettina Kaiser begann, sich ins Projekt zur Reaktivierung der Anlage zu vertiefen. Bettina Kaiser ist in der Nachbarschaft der «Alten Säge» an der Sonnenhalbstrasse in Alt St. Johann aufgewachsen und hat die Liegenschaft mit dem Wasserkraftwerk im September 2020 erworben (vgl. «das sind wir). Auch Peter Eigenmann kennt die Anlage durch die Familienfreundschaft mit dem langjährigen Vorbesitzer Max Gächter. Die Faszination für Technik und Wasserkraft begleitet ihn: «Ich habe grossen Respekt vor den technischen Leistungen früherer Generationen.»
Wieder in Betrieb
Erste Erwähnung findet die «Alte Säge» bereits im 17. Jahrhundert. Das noch heute bestehende Sägereigebäude wurde 1797 erstellt. 1901 liess der damalige Besitzer Johann Tobler die Säge ins Wasserrechtskataster des Kantons St. Gallen eintragen und ein Wasserrad erbauen. Knapp zehn Jahre später installierte er im Untergeschoss der Säge eine Francisturbine zur Stromproduktion.
Max Gächter kaufte die Liegenschaft 1971 und gestaltete die Sägerei in Wohnraum um. Das Wasserkraftwerk war seine Leidenschaft. Er betrieb es bis ins Jahr 2016. In dieser Zeit tätigte er verschiedene Revisionsarbeiten, stattete die Anlage mit einer mechanischen Steuerung aus und konnte sie auch immer wieder interessierten Fachleuten zeigen.
Nach einigen Jahren Unterbruch der Stromproduktion leitete Bettina Kaiser als neue Besitzerin die Reaktivierung der Anlage mit Wasserrechtskonzession und gewässerschutzrechtlicher Bewilligung für die energetische Nutzung Anfang 2021 in die Wege. Peter Eigenmann, mit mechanischer Grundausbildung, hat die Leitung des Projektes übernommen und vorangetrieben. Im ersten Schritt liessen sie anstelle der mechanischen eine neue elektronische Steuerung konzipieren und einbauen. Weil jedes Kraftwerk eigene Parameter beispielsweise bezüglich Fallhöhe oder Menge des Wassers aufweist, handelt es sich dabei um eine Einzelausführung, basierend auf einer Grundsoftware. Mit der Firma AVM aus Dietfurt konnte ein kompetenter Partner mit Erfahrung für die Umsetzung gefunden werden. Ebenso erfolgten im Rahmen der Restauration Massnahmen bezüglich der Sicherheit, so dass die Anlage auch für Führungen vorbereitet ist.
Kaum Eingriff in die Natur
Das Wasserkraftwerk, ein Laufkraftwerk, entspricht in der Dimension und Konzeption auch heute der seit Jahren bestehenden Anlage. Es liegt nicht in einem Schutzgebiet. Im genutzten Bereich leben keine natürlich vorkommenden Fische.
Das Wasser entstammt einer Karstquelle oberhalb der Liegenschaft «Alte Säge», zu der das Quellrecht gehört. Ab der Quelle gelangt das Wasser über einen kurzen Bach ins Vorbecken, von da auf die Turbine und wird über einen Kanal in die Thur geleitet. Das Wassernutzrecht beträgt 125 Liter pro Sekunde. Die weitere Wassermenge fliesst zur nahen Klangschmiede oder direkt in die Thur. Dank der Revision kann die Turbine mit 6 Kilowatt Motorenleistung rund 40 000 Kilowattstunden sauberen Strom produzieren – ohne nennenswerte Einflüsse auf die Natur. Der Strom wird ins öffentliche Netz eingespiesen.
Mechanik als Herausforderung
Im nächsten Schritt ist die mechanische Revision der Turbine geplant. Erst deren Zerlegung wird zeigen, welche Teile ersetzt und in aufwändiger Einzelanfertigung neu hergestellt werden müssen. «Die Erneuerung der Mechanik ist wie eine Wundertüte», schmunzelt Eigenmann. «Aber wir haben diese Herausforderung nicht angenommen um Geld zu verdienen, sondern weil uns der Erhalt der Anlage am Herzen liegt und wir mit unserem Projekt vielleicht auch andere Besitzer motivieren können, ihr kleines Wasserkraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen.»